Pressekritik in den Dresdner Neuesten Nachrichten


DNN - 07.September 2013 
"THEATERFEST ORIENTALISCH RELOADED - 
Ironisch. Iranisch. Und nur ein bisschen Deutsch. So konterkariert ein furioser Dresdner Spielzeitstart am Societaetstheater den deutschen Altmeister aller Dicht- und anderer Frauengunstkunst, jenen Goethe, der als Altmeister auch die Couchschablone West-Östlicher Diwan hinterließ, welcher immer wieder neu besetzt gehört.
Anno 2013, also sechs Jahre vor dem 200.Jubiläum der Ersterscheinung dieser berühmten zwölfteiligen Gedichtsammlung, in dem unser J.W. dem alten persischen Hafez nacheiferte, reicht ein # reloaded als Titelnachsatz, um sich nahezu gänzlich von der Form zu lösen, sich auf andere persische Dichtungen wie die Konferenz der Vögel von Attar zu stützen und eine moderne Theaterperformance mit mehr als 15 einzelnen für sich sprechenden Szenen in internationaler Kooperation zu zelebrieren.
Per quasidemokratischem Hammelsprung über die Grundsatzentscheidung begann die Endprobenwoche der Stückentwicklung ganz ohne Regie, nun ist eine 105-minütige Theaterperformance entstanden, die man nicht vergessen kann: Einfache Geschichten der Begegnung vermeintlich ferner Kulturwelten mit klaren, großartigen Gesten und Bildern, herrlichen Kostümen und Masken und unterlegt mit einem Sound, der Sprache weitestgehend überflüssig macht (Musik: Daniel Williams und Hessameddin Mohammadianpour).


Mählich entwickelt sich eine Stimmung, in der der Respekt vor den alten orientalischen Weisheiten wächst, die Verwunderung über die Diskrepanz zu aktueller medialer Vermittlung schwindet und man aufhört, eingebaute politische Implikationen zu suchen. Denn die Iraner sind ein schlaues Volk - und das demonstriert die siebenköpfige Compagnie Theater Paradata aus Teheran. Über die Fähigkeiten von Cie. Freaks und Fremde ist man sich im Klaren.
Während Heiki Ikkola als Erzähler sowie als Matrose (Körper) und Tod (Puppe) wirkt, hält Sabine Köhler die Fäden spielerisch zusammen. Sie agiert ungeheuer beweglich und unglaublich eindrucksvoll blickend und gönnt sich, gemeinsam mit Davoud Alavijeh - ebenso körperlich und mimisch präsent und zudem herrlich anzuschauen - die symbolischeSchlussszene als grandiose Slapsticknummer: West und Ost als Zwillinge, die Dank gemeinsam: Denn auch die Trennung wie Gewalt sind keine Lösung.
Mehr Gelegenheit zur extrovertierten Darstellung haben die Herren, die drei Frauen haben dafür eine herrliche Tanzszene, in der aus einem dunkelgrauen, fünfarmigen Gespenst  plötzlich drei Gestalten werden, die metaphorisch Augen, Ohr und Mund zeigen. Der erfrischenden Produktion, die nun auf Tournee und auch in den den Iran geht, wünscht man ein langes Leben und viele Zuschauer. Doch für Dresden ist Eile angesagt: Am heutigen Samstag wartet schon die vorerst letzte Chance, eine zweite Staffel ist im Mai geplant." 
Andreas Herrmann