IT’S
A BEGINNING
Meine
erste Reaktion, als Heiki und Sabine mich fragen ob ich mit in den Iran kommen
will, ist: geil! Klaro! Oder so in der Richtung.- Von
Heiki habe ich schon Geschichten gehört, von seinen Iran-Reisen und wahrscheinlich
kann ich in diesem Moment die ganzen Ausmaße gar nicht so richtig erfassen.
Alle,
denen ich davon erzähle reagieren da irgendwie emotionaler oder so. Das geht
dann von:“Pass auf, dass du da nicht entführt wirst“ und „Da ist doch Krieg“
bis zu unvermeidlichen Kopftuchdebatten. - Und
das wirkt natürlich. Erst
jetzt mach ich mir einen Kopf. Ganz schön. Und dann beginne ich mal zu
recherchieren. Das macht dann nicht viel besser.
Laut
dem Auswärtigen Amt wird man im Iran für das meiste hingerichtet. Oder
zumindest für immer in ein Gefängnis gesperrt. Weil das eben eine Diktatur ist.
Oder so.
Da
fühl ich mich etwas wie ein Abenteurer. Kriegsberichterstatter. Oder gleich
Hemmingway.
Je
mehr ich mich einlese, desto klarer wird natürlich, dass das alles so auch
nicht stimmt. Die Leute in der Iranischen Botschaft sind eigentlich ganz nett
und das mit dem Visum geht erstaunlich schnell. Und es gibt Youtubevideos aus
dem Iran und da sieht es eigentlich ganz schön aus. Und das beruhigt dann doch. - Vor
dem Flug glaube ich, mir dann schon ein Bild gemacht zu haben und bin doch
wahrscheinlich ziemlich aufgeregt.
Natürlich
ist es dann verrückt in Teheran zu landen. Die Bilder an der Wand von den
Ayathollas erinnern an die Bilder aus der DDR, die ich ja auch nur aus den
Geschichtsbüchern kenne und die Frau, die Sabine an der Gepäckausgabe noch mal
erklärt, dass sie keine Angst zu haben braucht, ist ja auch irgendwie komisch und
die Taxifahrt zum Archäologischen Institut und der Stacheldraht da auf der
Mauer und die vielen Lichter und Flaggen an der Autobahn auch. Aber da liegt ja
auch der Flug hinter uns und es ist vier Uhr nachts und da kann man dann doch
nur schlafen.
Das
erste Mal durch Teheran zu laufen und Theater Paradata zu treffen, ist dann
auch vorurteilsgeprägt. Schön ist es und aufregend, aber trotzdem irgendwie
alles von einer bestimmten Warte aus betrachtet. Das
mit den Vorurteilen und allem ist dann auch wirklich mein roter Faden, der sich
durch die Reise zieht. Weil die musste, oder viel mehr durfte oder so, ich alle
aufgeben, nach und nach, bis ich gemerkt habe, dass sie eigentlich alle
völliger Blödsinn waren.
Bei
dem Workshop, der die ersten 6 Tage geht, merkt man, dass ja irgendwie doch
alle gleich sind. Also Bock haben auf das gleiche, Theater jetzt und das spürt
man auch. Das ist jetzt vielleicht naiv oder so, aber man fühlt, glaube ich,
ziemlich schnell, dass da alle Beteiligten gut zusammenrücken und echt eine
harmonische Einheit bilden.
Und
Mr. Samson, der Hausmeister, liest auch nicht ständig im Koran, sondern fragt
ab und zu nach einer Zigarette oder macht einen Scherz. Den versteht man dann
zwar nicht, aber lachen kann man trotzdem, macht Mr. Samson ja auch.
Nach
den ersten Tagen fühlt man sich dann eigentlich wie zu Hause. Abgesehen vom
Verkehr vielleicht. Und von den Kopftüchern. Aber sonst scheinen die Menschen
hier hauptsächlich nett zu sein und wenig unterdrückt.
Und
schon wieder zu früh ein Bild gemacht. Denn
als Shahab zu mir sagt, Das solltest du lieber nicht filmen! Da wird mir
irgendwie schon etwas anders.
Und
als ich die Performance der drei iranischen Frauen sehe, muss ich schon auch
erst einmal schlucken. Einfach weil ich das so auch nicht kenne. Dass sich
junge Menschen so einen Kopf um so große Dinge machen. Und dabei dann auch was
rauskommt, was so eine Power hat!
Und
das geht ja noch weiter. Auf dem Dach von Teheran. Über der Stadt. Da erzählen
Amir und Masoumeh mal die eine oder andere Anekdote aus dem Irakkrieg und von
der grünen Revolution. Wenn man so von Bombenalarm und Tränengas und
angeschossenen Nachbarn hört, dann fragt man sich schon, Wie verpacken die das
denn alles?
Als
Harry dann fragt, wie es jetzt weitergehen soll mit dem Iran nach der grünen
Revolution und Amir sagt, We’re waiting fort he next! Da
ist das schon ein bisschen Hollywood und ich kann zum ersten Mal in meinem
Leben so einen Satz auch irgendwie ernstnehmen.
Was
ich mit diesen Eindrücken jetzt machen soll weiß ich nicht. Nicht mal, was die
Eindrücke mit mir so machen. Ist man da traurig weil in diesem Land so ein
Scheiß passiert? Freut man sich, dass die Iraner, die wir treffen trotzdem
ihren Weg suchen? Ist das jetzt schizophren oder einfach stark, dass der Alltag
in diesem Land so normal und irgendwie entspannt ist, obwohl da so ein Mist
passiert? Darf ich neidisch auf die Energie sein, die die Leute vom Theater
Paradata aus solchen Umständen ziehen? Oder muss man da Mitleid haben? Oder das
einfach hinnehmen?
Natürlich
stimmt das westliche Bild vom bösen Iran mit der Atombombe nicht, das habe ich
mir vorher schon gedacht. Dass hier alles okay ist, stimmt aber auch nicht, das
habe ich auch gemerkt. Die Menschen werden unterdrückt, suchen sich aber ihre
Nischen, sie sind unzufrieden, lehnen sich aber auch nicht auf. Damit kann ich
nicht richtig umgehen.
Auch
zurück in Berlin fällt es mir schwer, für andere ein Bild vom Iran zu zeichnen.
Mehr
als hinnehmen kann ich das also nicht. Vielleicht auch etwas bewundern. Und
faszinierend finden: Die
drei alten Männer, die auf dem Basar in ihrem Geschäft sitzen, mit einem Schild
an der Tür –WE DO NOTHING -, die Sekundenkleberverkäufer in der UBahn, den
alten Mr. Samson, die weißen, kahlen, stachelbewehrten Mauern, die irgendwie
alle Geschichten zu erzählen scheinen, die Anti-Amerika-Graffittis, die alten
Peugots, den Tee, die Gewürze, den Nippes in den Jahrhunderte alten Mauern des
Basars, die Wüste, den alten Kalligraphen, den Schreiber mit dem fehlenden
Zeigefinger. - Den
Clash von Samsung und Mohammed, der ruhigen, fast meditativen Stimmung der Hinterhöfe,
des Hotels in Kashan und den Überfüllten Straßen Teherans, dem allgegenwärtigen
Militär, den martialischen Sprüche an den Wänden.
Dem
Widerspruch zwischen der ruhigen, offenen und entspannten Art der Menschen, die
uns begegneten und dem politischen Druck, der durch die Embargo-geprägten
Preise und die Kopftücher und und und doch irgendwie spürbar ist.
It’s
a beginning. Das war Harrys Spruch. Und es war wirklich auch ein Beginn. Wie
jeder Tag irgendwie ein neuer Beginn war. Weil alles neu war. Immer. Und es
wird hoffentlich auch in Deutschland immer vieles neu geben. Irgendetwas wird
aus alle dem herauskommen. Ganz einfach, weil diese Reise fast schon für sich
Theater war. In einer geilen Kulisse mit einem hammer Plot und großartigen
Hauptdarstellern. Und wie und was genau da herauskommt, dass weiß man halt
nicht. Es ist ja auch ein Anfang.
Wenn
noch mal jemand in der Wüste singt, meldet sich vielleicht ja sogar Hollywood.