10 Tage Iran - Mein Reisebericht - Harald Fuhrmann


Vom 22.Mai bis 02.Juni 2013 waren wir in Teheran, mit den ersten Proben begann unser gemeinsames Projekt mit dem Theater Paradata "West-Östlicher Diwan # reloaded" - der Regisseur Harry Fuhrmann war als Coach und Workshop-Leiter, der beide Gruppen in einem spannenden Workshop zusammen brachte. - Hier seine Eindrücke von der Reise:

10 Tage im Iran – Mein Reisebericht


Als ich meinen Freunden erzählt habe, dass ich in den Iran fahren werde, haben viele gesagt: „Pass bloß auf Dich auf“ – „Ist das nicht gefährlich?“ - Ich habe mich in all den Tagen meiner Reise stets sicher gefühlt. In den Straßen ist wenig von der Religion zu spüren. Die Menschen tragen Jeans und haben oftmals ein iphone am Ohr. Der Iran will westlich sein. Was ist das für ein Staat? Es scheint mir eine kapitalistische, islamische Diktatur. Welch eine merkwürdige Mischung.- Die Schauspieler und Schauspielerinnen vom Theater Paradata, mit denen wir unterwegs sind, haben nichts mit Religion im Sinn. Es sind junge, lebensdurstige Menschen, die frustriert sind, weil sie ihren Beruf nicht so ausüben können, wie sie es möchten. Sie können nicht spielen, weil die Zensur ihnen fast immer verbietet, die Stücke zu spielen, die sie möchten.- Kommt das Thema auf die Politik im Lande, herrscht Resignation. In zwei Wochen sind Wahlen. Entweder bleibt es, wie es ist oder es wird noch schlimmer. Die Kandidaten, die für die Präsidentschaftswahlen zugelassen sind, stehen zur religiösen Führung, sie sind keine Reformer, die etwas zum Positiven verändern wollen. 60 % der Iraner sind nicht religiös. 20 % sind ein wenig religiös und nur 20 % sind streng gläubig. Wie kann denn diese Minderheit dieses Land regieren? „Es ist eine Diktatur!“, sagt Amir. - Die „grüne Revolution“ wurde 2009 niedergeknüppelt. Die Hoffnung auf eine Veränderung wurde niedergeknüppelt.- An 6 Tagen der Reise habe ich jeweils 8 Stunden am Tag einen Theaterworkshop geleitet, in dem ich die SchauspielerInnen des Theater Paradata mit Sabine und Heiki von Freaks und Fremde spielerisch zusammen gebracht habe. Wir sind in dieser Zeit auf wunderbare Weise zusammen gewachsen, haben uns über Theater und unser Leben unterhalten, uns ausgetauscht und viel voneinander gelernt. - Vieles wird mir in Erinnerung bleiben, von dem, was während des Workshops entstanden ist und von den Figuren, die in den Improvisationen aufgetaucht sind. So z. B. der zittrige alte Teeverkäufer, den Shahab gespielt hat oder die iranische Hochzeit, die Reza ganz alleine gespielt hat. Sabine, die zum Nikolaus 8 Paar Schuhe geputzt hat und Heiki, der sich von seinem Vorgesetzten bei der NVA hat traktieren lassen und der in einer anderen Szene versucht hat, durch die Wand zu rennen. In einer anderen Szene hat Shahab eine Selbstkasteiung zu einer fanatischen Rede gegen einen wunderschönen Tanz zu sanfter Musik gesetzt. Amir hat eine lebendige Schaufensterpuppe auf dem Basar gespielt, die sich auf den Feierabend freut. Solmaz, Massi und Elham haben eine Performance zum Thema „Körper und Stoff“ gespielt, die mich sehr berührt hat, drei Frauen, die in ihrem Tschador gefangen sind und versuchen, damit zu leben und sich daraus zu befreien. Oder Davouds Eierritual. Wenn die Mutter glaubt, dass das Kind krank wird, dann hält sie ihm ein Ei vors Gesicht und kratzt mit einem Geldstück an der Schale und sagt die Namen der Personen, die vielleicht daran Schuld sind, dass es dem Kind schlecht geht. Bei irgendeinem Namen platzt dann das Ei und es wird dem Kind bald besser gehen. Hezam sagte, seine Mutter hat das auch immer bei ihm gemacht. Das Ei platzte meistens, wenn sie den Namen der Nachbarn gesagt hat, die sie nicht leiden konnte.


Noch eine kleine Anekdote: Meine Tochter Lilith hat mir ein paar ihrer Spielsachen und ein selbst gemaltes Bild für ein Mädchen im Iran mitgegeben. Ich fand das eine tolle Idee. In Teheran sind wir also zu Amirs Nichte Paria (das heißt „Elfe“) gefahren und ich habe ihr die Geschenke überreicht. Dafür hat Paria für Lilith auch ein Bild und ein paar kleine Geschenke mitgegeben und sie hat mir auch noch einen persischen Tanz vorgetanzt. Lilith hat sich dann riesig über die Geschenke von Paria gefreut. Und die Welt scheint plötzlich so klein und friedlich. Eine Welt, in der sich kleine Mädchen aus so verschiedenen Ländern Geschenke schenken und merken, dass es überall Mädchen gibt, die Bilder malen und mit Puppen spielen.