25.Juli 2013 - Rast


Ein Tag Probenpause. Verschnaufen. Die Dinge, die auf uns einprasseln, irgendwie verarbeiten. Fäden, die wir ausgelegt haben, verspinnen zu einem Konstrukt. Tag für Tag finden wir neu heraus, wie wir uns verständigen, wie wir in den Proben vorgehen, um zu szenischem Material zu kommen. Hessam, der heute seinen Geburtstag feiert, hat sich eine Soundstation gebaut, die Bühne sieht aus wie ein unerschöpflicher Fundus von Kostümen, Fundstücken, Puppen, Instrumenten, Masken.
"Anfänge" waren das Thema der letzten Tage. Allein all diese Anfänge würden einen Abend füllen. Sabine hat uns auf die hohe See geschickt, das gesamte Team hielt ein wendiges Segelschiff im Sturm auf Kurs, Theater im Theater, Geräuschemacher, Kapitän, Mannschaft, Möwen, Gischt, die über die Reling spritzt. 
Schlagen wir den Diwan von Hafez auf, die Augen geschlossen und schauen, welche Verse der Dichter uns heute mitgibt. Viele Iraner beginnen so den Tag, auch ein Anfang. 
Davoud konstruiert ein merkwürdiges globales Café Iran-Deutschland, alle Klischees von Deutschen und Iranern, mit denen wir eigentlich nichts zu tun haben wollen, brechen sich hier Bahn.
Ein Kaleidoskop der Anfänge ... am Ende schmeißt Davoud eine Matratze auf die Bühne. Er kommt mit Tasche und Hut hinzu, erschöpft, müde offensichtlich, ein Mann, der einfach nur umfällt und ausruhen muss. Aber er findet keinen Schlaf. Wie ein Wahnsinniger arbeitet er sich an der Matratze ab, bespringt sie auf die absurdeste Weise, nimmt Anlauf, läßt sich von unglaublicher Höhe darauf fallen, doch von Schlaf kann keine Rede sein. Schließlich gibt er es auf und geht, holt seine Tasche und klappt plötzlich neben der Matratze zusammen und schläft. --- Diese Unruhe, die uns wohl alle umtreibt, aber besonders unsere Kollegen aus Teheran. - Wohin sollen wir gehen? - Wie sollen wir leben? - Woran kämpfen wir uns Tag für Tag ab?
Dann ein paar Stunden Proben mit Masken, diesselbe Szene von allen einmal gespielt - und schon sind wieder sechs verschiedene Geschichten im Raum. - Schließlich widmen wir uns der ZAHHAK-Geschichte eine populäre Tyrannen-Geschichte aus Ferdosis Königsbuch, Vatermord, Schlangen, die aus Schultern wachsen und Jünglingshirne fressen - alles dabei, was eine Geschichte braucht, die uns aus der Vergangenheit entgegenweht und uns noch heute fesseln kann.


Die tollsten Nachrichten des gestrigen Tages: Alle anderen haben in Teheran nun ihr Visum bekommen, Amir kommt schon am Samstag nach Dresden! - Und, jubel!, wir haben auf Startnext das nötige Geld zusammen, um all das auch zu bezahlen. Unserer besonderer Dank gilt Roswitha und Jakob Bickhardt, sowie Dirk Neumann, die das Projekt mit jeweils grandiosen Summen gesponsert haben.  Auch allen anderen ein herzliches Dankeschön: Sabrina Sadowska, Tim Schreiber, Robby Hirche, Rike Reiniger, Julianna Herzberg, Martina Baltscheit, Nils Brabandt, Konrad Köhler, Anne Schmid, Boris Michael Gruhl, Oliver Kube, Joanna Szlauderbach, Jule Oeft, Annika Bendel, Yvonne Brückner, Niels Bicker, Katja Erfurth, Holger Bicker, Christiane Sündermann-Oeft, Matthias Erfurth, Anja Schenkel, Ronald Mernitz. Und an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank unseren Förderern: Fonds Darstellende Künste, Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Amt für Kultur und Denkmalschutz Dresden, Societaetstheater Dresden.

244. Ghasele aus dem Diwan des Hafez:

Komm und steure mein Schiff mir
hinein in die Strömung des Weines:
Stürze in Zorn und Verwirrung
die Seelen von Jüngling und Greis!

Mich sollst du schleudern, o Saghi,
ins Schiff mit dem Wein, denn es heißt ja:
"Tu etwas Gutes, und wirf es
dann in das Wasser hinein!" ...